Allgemeine Leitfragen:

Welches Wissen und welche Vorstellungen von und über die DDR werden in den Kinder- und Jugendliterarischen Texten vermittelt? (Tuana)

In den meisten Fällen werden die Folgen der Umbrüche um 1989 sehr unterschiedlich dargestellt. Besonders spielt die Wende und die Wiedervereinigung eine Rolle, denn nach der Zeit des Umbruchs standen Freiheiten, sowie gleichzeitig Verunsicherungen und Existenzängste im Vordergrund. Das vereinte Deutschland sorgte für prägende Erfahrungen von Neu- und Selbstorientierung, sowie das Gefühl von Verlust und Verunsicherung. Gerade für die Kinder ist dies schwierig zu verstehen. Aus diesem Grund wird versucht, dass Alltagsgeschichten, beziehungsweise Kindheitsgeschichten in unterschiedlichen Facetten und Farben, das Kindsein in der DDR lebendig zu inszenieren. Dies wird in den meisten Fällen in Comics sichtbar. Zur damaligen DDR zeit wurde es verboten darüber zu sprechen, was genau passiert ist. Auf Grund der Sprachlosigkeit wurde einiges erst nach dem Jahr 1989 erzählt. Gerade auch literarische Texte, sowie Autobiographien haben es möglich gemacht, die Erfahrungen der Menschen nachvollziehen zu können. Die Literatur der DDR war von Hoffnung und Enttäuschungen geprägt. Sie sprach über erlebtes Glück und erlittenes Unrecht. Jedoch ging es nicht nur um gesellschaftlich-politische Dimension, sondern auch um die Art und Weise, wie Menschen die Spannungsverhältnisse erfahren mussten. Jede Literatur hatte natürlich einen Bezug zur persönlichen Identitätsbildung. Einige sprechen über die Hoffnung die sie hatten, sowie über die Wunschwelt, die sie sich selbst aufgebaut hatten.

Sehen Sie sich die Paratexte an (Klappentext, Cover, Widmung, Vorwort, Nachwort, etc.). Spielen diese im Hinblick auf das Seminarthema eine besondere Rolle? (Leonie)

  • drüben! – Simon Schwartz
    • Cover: Eltern mit Kind auf dem Arm (verunsichert/ verängstigt), Mauer, Überwachungsturm
    • Widmung: für die Elternkein
    • Vor- bzw. Nachwort
  • Lilly unter den Linden – Anne C. Voorhoeve
    • Cover: Straße und Auto (verschwommen), jemand steht hinter einem Fenster und schreibt den Titel an das beschlagene Fenster, nur Finger und Arm sind zu sehen
    • Thema klar im Klappentext: Lilly will zu ihrer Tante in die DDR („in den Osten“)
    • kein Vor- bzw. Nachwort
  • Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß – Manja Präkels
    • Cover: schwarzes Cover, Titel in roter Schrift
    • Widmung: Info Ludwig und Silvio Seydaack (beide bereits verstorben)
    • Klappentext: Begriff „Mauerfall“
  • Jenseits der blauen Grenze – Dorit Linke
    • Cover: Strand im Hintergrund (verschwommen), im Vordergrund schwarzer Maschendrahtzaun
    • Klappentext: Begriffe „DDR“ und „Staatsmacht“
  • Such dir was aus, aber beeil dich! Kindsein in 10 Kapiteln – Nadia Budde
    • Cover: gelb, Mädchen mit Springseil schwebend auf dem Kopf, Hund mit Astronautenhelm, Gegenstände/ Tiere/ Menschen schweben durch den Raum
    • Widmung: für Kian
    • Klappentext: nicht ein Begriff, der auf DDR weist

Fazit (Tuana):
Im großen und ganzen spielen die Paratexte im Hinblick auf das Seminarthema keine besondere Rolle. Teilweise wird es nicht einmal deutlich, dass es in der DDR spielt, da nur wenige Begriffe vorhanden sind, die überhaupt darauf deuten, dass es zur DDR Zeit spielt. In dem Buch: „Such dir was aus“ wird es beispielsweise überhaupt nicht deutlich.

Was wird aus dem historischen Material (Mimesis I) ausgewählt, welche Prinzipien waren für die Auswahl leitend, von welchen Modellen bzw. narrativen Schemata wurden sie gesteuert? (Gansel 2010, S. 35) (Tuana)

Zunächst muss gesagt werden, dass literarische Texte dazu da sind, Plausierungen von kollektiven Erinnerungen zu ermöglichen. Es werden besonders jene Momente hervorgehoben, die für das Individuum in der aktuellen Gegenwart von größerem Gewicht sind. Es gibt drei verschiedene Steorotypen, die von Bedeutung sind:

  1. Stereotyp: Täter-Oper-Topos:
    Bei diesem Stereotypen werden die Gründe für das Ende der DDR gesucht. Die Erklärungsmuster sind plausibel und führen zu der Schlussfolgerung, dass die inkompetente Funktionsclique den Staat DDR in den Ruin getrieben und die Bevölkerung systematisch belogen wurde
    Es werden „die da oben“ für die Verhältnisse verantwortlich gemacht. Deutlich wird jedoch nicht, wofür die DDR-Führung, SED-Funktionäre, beziehungsweise „die Bonzen“ Verantwortung tragen.
  2. Widerstandstopos:
    Dieser Stereotyp ist mit dem Herausstellen eines indirekten wie offenen Widerstands in der DDR der Täter-Oper-Topos verbunden. Der Alltag in der DDR erzeugte ein allgegenwärtiger Repressionsapparat. Es herrschte eine Atmosphäre der Bedrohung und Angst. Selbstverständlich stellte man sich Fragen zur Flucht und Ausreise vor und nach dem Jahr 1989. Wer flieht ist republikflüchtig und gilt als Verräter des Staates.
  3. Feindbild- Lehrer/Eltern:
    In diesem wird deutlich, dass Eltern und Lehrer als Figurengruppe, auf die schuldhaftes Verhalten projiziert wird. Es wird ihnen mangelnde Zivilcourage, Heuchlertum, Parteiangehörigkeit und Dogmatismus vorgeworfen.

    Weitere Informationen werden in dem Artikel „Ossis vs. Wessis“ anhand der Stereotypen genauer erläutert.
    Das Modell von Rioeur beschreibt die Narrationsforschung. Rioeur unterscheidet zwischen drei Begriffen.

Präfiguration: Dort wird in der Literatur auf die Erinnerungen und die Gedächtnisinhalte eingegangen. Sie sind in der Regel im kulturellen Gedächtnis schon präfiguriert.

Konfiguration: Hier stellt die Literatur die Erinnerungen und Identität in einer jeweils eigenen Konfiguration dar. Es wird sich mit der Frage: „WIE greift der Text Gedächtnisinhalte auf ?“ beschäftigt

Refiguration: Hier wird sich die Frage gestellt, ob ein literarischer Text das Potenzial hat, auf außerliterarische Erinnerungskultur zurückzuwirken.

Wie sind die Proportionen der literarischen Darstellung geartet? Welche Ereignisse, Denk- und Verhaltensweisen der Figuren werden dargestellt, welche ausgelassen? (Gansel 2010, S.35) (Tuana)


Das Erinnerte ist abhängig von psychischer Befindlichkeit des erinnerden Individuums. Besonders hervorgehoben wird schließlich das, was für das Individuum von Bedeutung ist. WAS und WIE sich erinnert wird, hat eine zentrale Bedeutung für die Figuren. Häufig handelt es sich um Analepsen (Rückwendungen). Es werden dadurch einige eigene Erinnerungen wach und Verdrängtes kommt wieder zurück. Das Leben in der DDR wird als ein Leben zwischen Anpassung und Rebellion, Erfahrungen von Repression und Räumen der Freiheit dargestellt.
Ein sehr gutes Beispiel dafür ist der Comic: „Drüben!“ von Simon Schwartz. Auch hier folgen weitere Informationen in den Jurybegründungen, sowie Reflexionen.
Die DDR, die Umbrüche um 1998 und ihre Folgen wurden von verschiedenen Generationen und Familien sehr unterschiedlich erlebt. Gerade das wird in verschiedenen Texten/Romanen widergespiegelt. Auch die Wiedervereinigung spielt dort eine wichtige Rolle. Sie wird als Narrative Produktion von Unmittelbarkeit dargestellt, die das geschehen in der Zeit selbst nachvollziehbar werden lassen soll. Sprich es wird darauf geachtet, dass eine erzählerische Form gewählt wird, die den Eindruck von Zeit- und Alltagsnähe herstellt. Ein gutes Beispiel ist hierfür ein Tagebuch.

Wie und durch wen erfolgt ihre Bewertung, in welchen Kontext sind sie gestellt und welches Beziehungsgeflecht (Erzähler, Figuren, Raum) wird aufgebaut? (Gansel 2010, S. 35) (Tuana)

Wenn von der DDR erzählt wird, so sind es meist Texte, in denen Figuren oder Räume unmittelbar an eine historisch konkrete Zeitebene gebunden sind. Das Erzählen selbst verbleibt auch auf dieser Ebene. Es wird ein Spannungsverhältnis zwischen der Basiserzählung (Gegenwartsebene, Erzählendes Ich ) und Analepse (Vergangenheitsebene, Erzähltem Ich) erzeugt. Erzählende Literatur zeigt Lesern anhand von Figuren, ihrem Handeln, ihrem Innenleben und ihren sozialen Beziehungen viele Formen von Identitätsentwicklung. Der literarische Rezeptgonsprozess ist von Identifikation, Alteritätserfahrungen und Selbstreflexion gekennzeichnet.
Durch die Verstrickung der Figuren in moralische Konflikte können Texte den Erwerb der moralischen Identität unterstützen.


Spezifische Fragen:
Zu den spezifischen Fragen lässt sich nicht viel zu sagen, da sie in den nun genannten Beiträgen beantwortet werden:

Jurybegründungen:
– „Drüben!“ von Simon Schwartz
– „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ von Manja Präkels
– „Lilly unter den Linden“ von Anne C. Voorhoeve
– „Jenseits der blauen Grenze“ von Dorit Linke
– „Such dir was aus, aber beeil dich!“ Von Nadia Budde